Dienstag, 8. Mai 2018

WASSER IST LEBEN








"Du willst mein Geheimnis entlocken", spricht das Wasser, "das kannst du nicht, denn ich bin alles und ich bin nichts. Ich bin im Fisch, im Papst, eingeschlossen in der Perle, bin im Sumpf, am Grunde des Meeres, bin Wolke, bin Tropfen, bin Träne, Sekret, Schleim, Blut, bin Bach, bin Fluß, bin Strom, bin Meer, bin Luftfeuchtigkeit, bin Puffer, bin Reiniger, bin Kühlwasser, bin schmutzig, bin rein, bin leer und kalt und warm und weich.
Du bist vertrocknetes Laub und Knochen ohne mich und mit mir bist du Masse von Mensch und denkst und fühlst und lebst durch mich. Ich bin Spiegel, ich nehme jede Form, jede Farbe, jeden Geruch an. Imprägniere mich mit Gebeten, mit Worten, mit Arznei  und ich bin: ein Diener des Kosmos, der Erde und seiner Lebewesen und ich bin lebendig, springender Delphin, perlendes Sein, löschendes Element von Feuer und Durst.
Ich lehre dich Hingabe an alle Abläufe, Rhythmen, Zyklen, Gegebenheiten in Gegenwart und Zukunft.
Kannst du mir sagen, wo ich nicht bin. Ich mache das Brot luftig, lasse deine Augen glänzen. Ich bin ein Mysterium, chemische Formel und doch nichts eigenes. Doch ich bin unentbehrlich, ich bin das Lebenselixier! Ein Tropfen von mir, ein Same, der Jahrhunderte geschlummert hat, erwacht zu einer Blume. Ich bin die Prinzessin, die den Prinz küßt. Ich bin leicht wie ein Hauch, ich bin Tonnen schwer, ich bin zärtlich wie eine Träne, die deine Wange herunterrollt und ich bin gewaltsam im ungefesseltem Fluss, der alles mitreißt und mitnimmt."





So sprach das Wasser. Während einer Forschungsreise habe ich es dem Schmalenberger Quellwasser abgelauscht. Das Wasser, was ist das für eine Wesenheit! Zu den vier großen Elementen gehörig, kann niemand in Lobeshymnen seiner Größe gerecht werden. Alles wird durch es verlebendigt, in den Spiralnebeln spiegeln sich die Planeten und Sterne, in den Pfützen die Spatzen, die Häuser im vorbeiziehenden Strom.  Es macht die Liebe fruchtig und Leben wird aus ihm geboren.
So kann ich heute mich nur verneigen und Danke sagen für seine Anwesenheit und es trinken und ehren, bis das Feuer diesem Körper alles Wasser nimmt und ihn zu Asche werden läßt.