Montag, 27. Mai 2013

Häutungen

Ich sprach mit einer Jugendlichen. Sie fragt sich, wer sie ist. Sie sucht Puzzleteile zusammen, um ein Bild von sich zu bekommen. 

Ein Kind kam in meine Praxis. Es bestand darauf seine Gummistiefel anzubehalten. 
Ein Mann, der mir aus seinem Leben erzählte, benannte die Wesenszüge, die ihn ausmachen.
Eine Frau in den Wechseljahren kleidet sich alle paar Monate neu ein. Es ist ihr Weg ihre Veränderungen zu dokumentieren.
Ich stelle mir vor, mein So-Sein abzustreifen, wie eine Schlange ihre Haut.


Kinder sind dünnhäutig. Es ist gut, sie warm einzuhüllen und ihre Zartheit zu beschützen, bis eine Haut gewachsen ist, die kraftvoll genug ist das Grobe in der Welt abzuwehren.

Jugendliche uniformieren sich gern. Das ist nicht schlimm, so lange keine Identifizierung mit dem Unimono stattfindet. Solange bis das Individuelle sich geformt hat und herauskommt, wie eine Blüte aus einer Kapsel.

Männer legen sich gerne eine Panzerhaut zu. Sie sind unverwundbar und kämpfen täglich in einer einsamen Schlacht. Manchmal hilft nur eine Operation das Herz freizulegen.
Frauen tragen ihre Haut zu Markte. Je straffer, um so besser. So bleibt die Traurigkeit drinnen.

In den Wechseljahren häuten sich Männer und Frauen. 

Alle Häute, die im Laufe des Lebens angelegt wurden, werden wieder abgelegt. Haut für Haut.
Erst wird die Haut groß und weit und wellt sich. Es werden alle Sorgen und Ängste und Traurigkeiten sichtbar. Dadurch wird der Mensch sympatisch. Vor allem, wenn er mal lächelt und die Häute sich zusammenschieben.
Die alten Masken fallen ab, die Häute schrumpfen, die Wahrheit kommt ans Licht. Das tut gut.
 

 Man nennt es den Alterungsprozess. Dies ist etwas ganz und gar wunderbares, weil nun der Kern des Menschen hervorkommt. Oder anders ausgedrückt: die Häute wie bei einer Zwiebel abgelöst werden und der Hohlraum, über den sich die Häute gestülpt haben, näher rückt.       Das ist eine Leere, die, wenn man ihr zuhört, tönt.      Aus der Leere tönt das Lebenslied.         Es ist ein Liebeslied und besingt das Leben als Mensch auf der Erde. Darum geht es .                 Es ist ein wesenhaftes Lied.             

Manche beginnen im Alter zu malen oder zu komponieren, bestellen den Garten, züchten Rosen oder Pferde oder spielen mit den Enkeln. Darauf läuft alles heraus.
Nichts kompliziertes. Ein reiner klarer Ton. Dieses Sein läßt sich nicht abstreifen. Es ist. Nur die Vorstellungen und Pläne und Wünsche verabschieden sich, wenn alles gut geht. Bis auf die allerletzte Haut, die das Sein umhüllt. Sie geht mit dem letzten Atemzug.

Dienstag, 21. Mai 2013

Stimmungen




Der Himmel hat mich umgestimmt

eben noch verstimmt

wurde ich angerührt wie ein Instrument

und bin gestimmt, fühle mich stimmig, stimme überein mit der Bläue, dem Schwung der Wolken und dem Licht 

bin stimmungsvoll, in Stimmung dir zu sagen, das es nun stimmt, wie es ist.


Gestern noch schlug es mir auf die Stimmung, das Sein, 

konnte nicht reden, es veschlug mir die Sprache, hatte sie verloren: die Stimme,  stimmlos,

wollte nicht dafür und  nicht dagegen sein, es ergab sich, das wir nicht abstimmten

und alles blieb unstimmig.


Doch jetzt, wo das Stimmungsbarometer gestiegen

und ich wie durch eine Stimmgabel gestimmt wurde

durch den Himmel und seine im Wind gewirbelten Wolken

erhebe ich meine Stimme und singe

 



P.S  Nicht wahr, das ist sie doch vor allem: die Homöopathie, sie ist eine Umstimmungs-Therapie. Berührt von einer Arzneifrequenz, verwirbelt und durchgeschüttelt von einer passenden Potenz werden wir umgekrempelt, umgestülpt, umgestimmt und direkt in unsere Mitte hineinkatapultiert und dort verankert. Von dort aus schwingen wir wieder kongruent mit dem Leben mit. Das ist wie mitten im Fluß schwimmen: kraftvoll eingetaucht sein im lebendigen Wasser und ungehindert den Stromschnellen folgen.