Samstag, 23. November 2013

Totenmonat

Totenmonat - der Monat der Transformation, der grundlegenden Erneuerung. Seine nach innen gerichtete Kraft ermöglicht das Ablegen von einseitigen Ansichten, eindimensionalen Sichtweisen, starren Vorstellungen, ungesunden Verhaltensweisen, selbstzerstörerischen Angewohnheiten. Im Allgemeinen tun wir das nicht freiwilllig. Gezwungenermaßen nur nehmen wir andere Haltungen ein. Erst wenn die Stürme, Taifune, Zyklone durch unser Leben fegen, bewegen wir uns aus der vermeintlichen Komfortzone heraus. Drohende Trennung, Kündigung, materieller Verlust, Verlust der emotionalen und mentalen Kontrolle sind die Katastrophen, die uns wie unvermutet treffen. Meist haben wir schon längere Zeit die Wetterwarnungen vernommen, Streit, Abmahnungen, Ratschläge und Hinweise sind vorausgegangen. Doch erst mit der Wucht des Anpralls, des Aufpralls der Druckwelle werden wir wach. Oft ist es zu spät, auszuweichen. Dann werden wir verwirbelt wie in einem Mixer. 
Im Grunde hatten wir es schon geahnt, was da auf uns zu kommt. Doch lieber laufen wir wie taub, den starren Blick auf den iPod gerichtet, voran. Hätten wir noch die Ohren aufgestellt und die Zeichen, die uns zugetragen werden, vernommen, wäre uns möglicherweise der Kollateral-Schaden erspart geblieben. 
Vielleicht hatten wir schon längere Zeit ein ungutes Gefühl, unser Bauchhirn sendete mulmige Stimmungen. Doch nicht mehr geschult darin, den BauchCode zu entziffern, verdrängen wir kurzer Hand seine Meldung. Ablenkungen gibt es ja genug. 
 AUFMERKSAMKEIT ist für mich ein Zauberwort. Wenn es mir gelingt, im Moment wach und aufmerksam zu sein, bemerke ich die Zeichen, die mir in meinem Umfeld gesendet werden. Als ich einmal in einem besonderen wahrnehmenden Zustand war, weil ich eine junge Frau in ihrer Sterbephase begleitete, beobachtete ich Krähen, die sich in ungewöhnlicher Zahl  auf meinem Balkon vesammelten und sich lautstark kundtaten. Ich verstand, daß die von mir betreute Frau nun dabei war ihren Körper zu verlassen, was auch tatsächlich genau in dieser Zeit geschah. Zufall? Gewiß, in dem Sinne, daß mir die Zeichen zufielen und ich sogar in der Lage war, diese richtig zu deuten.

Manche Ereignisse können wir durch erhöhte Aufmerksamkeit abwenden, manche nur abmildern und andere nur wahrnehmen, daß sie geschehen werden. Selbst wenn wir das Kommende nicht verändern können, so kann uns doch die Vorausnahme vorbereiten und den Schock vermeiden. Meine Großmutter sah eine brennende Kerze in der Nacht, wo keine war und wußte darauf hin vom nahenden Tod in ihrer Familie. Einmal war es der Ehemann, der plötzlich an einem Herzinfarkt starb, das andere Mal der Tod des Sohnes, der bei einem Schlittenunfall ums Leben kam.
Tröstlich ist, das es nie zu spät ist sich zu verändern. Selbst wenn die Dinge sich nicht mehr rückgängig machen lassen, können wir, nachdem wir durch einen Tranformations-Verwirbelungs-Prozeß gegangen sind, mit verwandelter, versöhnlicher Haltung dem Leben neu begegnen. Auch unseren lieben Toten, denen wir in diesem Monat besonders gedenken, können wir innerlich annehmender oder friedlicher begegnen.         Dabei hilft uns der November, der mit seiner tristen, dunklen, nebligen, feuchten Kälte ein Innewerden veranlaßt und unsere Innenschauen befruchtet. Mit erhöhter Aufmerksamkeit laufen wir durch die raschelnden Blätter und erhaschen Bilder von Visionen des Kommenden.